ETF auf Allzeithoch – Jetzt lieber nicht anlegen?

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allzeithoch

ETF sind so hoch im Kurs wie noch nie… obwohl es wirtschaftlich ja eigentlich in vielen Ländern ziemlich kriselt.

Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis die Kurse einbrechen und viele Menschen Verluste machen? Also sollte man jetzt lieber nicht investieren? Oder steigen die Märkte sogar noch weiter?

„Schon wieder ein Rekord – warum der Dax heißläuft“, „Drei Gründe für ein Platzen der Börsenblase“ oder „Aktienmärkte überhitzt: Insider senden klares Warnsignal“

Diese Schlagzeilen liest man gerade überall. Und das kann einen total verunsichern. Es wirkt, als wäre man mal wieder zu spät und hätte eine Chance verpasst. Oder als stünde alles vor dem Zusammenbruch und man sollte seine Aktien lieber verkaufen (wenn man schon welche hat).

Aber es ist tatsächlich deutlich anders, als es auf den ersten Blick scheint.

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Was steckt hinter Allzeithochs?

Schauen wir uns erstmal an, was mit “Allzeithoch” überhaupt gemeint ist. Ein Allzeithoch bedeutet, dass ein Index oder eben ein ETF den höchsten Stand seit seinem Bestehen erreicht hat. Das wars auch schon.

Viele Leute behandeln das Allzeithoch, als wäre es eine Art Preisschild. Als würde es uns sagen: „Achtung, jetzt ist alles teuer!“

Und so kommt es, dass sich Allzeithochs intuitiv gefährlich anfühlen. Das ist auch total verständlich. Wenn etwas auf dem höchsten Stand aller Zeiten steht, dann kann es doch eigentlich nur noch nach unten gehen, oder?

Die Antwort auf die Frage dürfte Dich ziemlich überraschen:

Wir haben die Monatsdaten des MSCI World ausgewertet – das ist ja ein bekannter Aktienindex, der die größten Unternehmen der Industrieländer beinhaltet.

Wie oft kam ein Allzeithoch vor? In 154 der 669 untersuchten Monate. Das bedeutet, dass jeder vierte Monat mit einem Allzeithoch endet!

Wenn etwas in jedem vierten Monat passiert, ist es dann wirklich ungewöhnlich und besorgniserregend? Oder ist es vielleicht… völlig normal? Und warum passiert das so oft?

Der Grund ist eigentlich ganz simpel: Der globale Aktienmarkt hat langfristig eine positive Durchschnittsrendite. Das heißt ganz einfach ausgedrückt: er geht dauerhaft nach oben.

Natürlich nicht jeden Tag und auch nicht jeden Monat. Mal geht’s hoch, mal runter. Aber der langfristige Trend zeigt nach oben. Und wenn etwas langfristig steigt, dann erreicht es logischerweise immer wieder neue Höchststände.

Geht es nach Allzeithochs bergab?

Dennoch ist ja die Sorge, dass es nach einem Allzeithoch erstmal bergab geht.

Aber was passiert denn wirklich nach so einem Allzeithoch? Wenn sie gefährliche Warnsignale wären, dann müssten die Renditen danach doch schlechter sein als normal, oder?

So ist es aber nicht: Mittel- und langfristig lagen die Renditen nach Allzeithochs praktisch im gleichen Bereich wie die Durchschnittsrendite, kurzfristig sogar deutlich darüber!

Das Ding ist: Ein Allzeithoch sagt überhaupt nichts darüber aus, ob eine Aktie teuer oder billig ist. Es ist nur eine Zahl ohne Kontext und kann nicht zu Bewertung von irgendwas dienen.

Aber warum glauben dann trotzdem alle, dass Allzeithochs ein Problem sind?

Dafür gibt es mehrere Gründe:

Das Allzeithoch-Konzept ist erstmal schön einfach. Jeder versteht es sofort. Komplizierte Bewertungskennzahlen hingegen erfordern Nachdenken.

Außerdem können Finanzmedien mit Allzeithochs super Geschichten erzählen. „Neues Allzeithoch!“ klingt dramatisch und zieht Aufmerksamkeit.

Und die Finanzbranche? Die kann mit solchen „Warnungen“ prima ihre teuren Produkte verkaufen. „Jetzt ist schlecht zum Aktien kaufen, aber wir haben da was Besseres für Sie…“

Und dann gibt es noch eine etwas tückische Darstellung von Aktienkursen: Normalerweise zeigen die meisten Medien – und auch wir – die lineare Entwicklung eines Index. Hier siehst Du den MSCI World in dieser üblichen Darstellung:

In so einem Chart werden gleiche absolute Beträge gleich groß gezeigt. Das Problem ist aber: Durch den Zinseszinseffekt quasi geht die Kurve am Ende immer steil nach oben – auch wenn die jährlichen Renditen über die Jahre gleichmäßig waren.

Dadurch entsteht schnell der Eindruck, dass „jetzt alles besonders hoch“ ist.

Will man dagegen erkennen, ob die aktuelle Entwicklung wirklich außergewöhnlich ist, hilft die logarithmische Darstellung. Dort zählen nicht absolute Punkte, sondern prozentuale Veränderungen:

Und siehe da: Die Sprünge der letzten Jahre sind keineswegs ungewöhnlich. In den 80er-Jahren zum Beispiel gab es Phasen mit deutlich überdurchschnittlichem Wachstum.

Also, lass Dich nicht von Allzeithoch-Schlagzeilen verunsichern. Die historische Daten von globalen Aktien zeigen, dass wir über jeden 15-Jahres-Zeitraum Gewinne gemacht hätten – egal, wann wir eingestiegen sind und egal, welche dicke Krise danach kam.

Alles auf einmal anlegen?

Das Timing des Einstiegs ist also viel weniger wichtig als die Tatsache, dass Du überhaupt anfängst.

Und je länger das Geld angelegt ist, desto länger arbeitet der Zinseszins für einen. Darum sollte man – rein rational betrachtet – so viel wie möglich so schnell wie möglich investieren.

Das wurde auch wissenschaftlich untersucht und führt langfristig in den meisten Fällen zum größten Vermögen.

Aber natürlich fühlt es sich mulmig an, auf einem vermeintlichen „Höchststand“ zu kaufen. Das ist völlig normal.

Wir empfehlen darum, große Beträge über mehrere Zeitpunkte gestreckt anzulegen. Das hat eher psychologische Gründe: Rauscht der Markt nach einem großen Investment erstmal ab, so ärgert man sich und verliert möglicherweise gerade in dieser kritischen Anfangsphase den Mut.

Besser geht es einem da, wenn man Stück für Stück das Geld anlegt (zum Beispiel über einen Sparplan) und so verschiedene Marktphasen mitnimmt. Ist also eher eine Kopfsache.

Denn klar, irgendwann geht es mit den Kursen auch wieder runter, so viel ist sicher.

Echte Bewertungskennzahlen

Und hier lohnt es sich, einen kleinen Schwenk zu machen: Das Allzeithoch selbst ist kein echter Maßstab, der uns zeigt, ob Aktien gerade teuer oder günstig sind. Dafür schaut man eher auf Bewertungsmaßstäbe wie das sogenannte Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis.

Das setzt den Aktienkurs ins Verhältnis zu den durchschnittlichen, inflationsbereinigten Gewinnen der letzten zehn Jahre. So werden Schwankungen aus einzelnen Boom- oder Krisenjahren geglättet – und man bekommt ein besseres Bild, wie hoch die Bewertungen im historischen Vergleich gerade sind – ohne dass ein einzelnes Extremjahr alles verzerrt.

Allzeithochs und Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind aber nicht das Gleiche! Es kann zum Beispiel sein, dass ein Allzeithoch sogar mit einem niedrigen oder fallenden KGV einhergeht.

Vor allen Dingen in den USA bzw. der amerikanischen Tech-Branche liegt das Shiller-KGV aktuell zwar über dem langjährigen Durchschnitt. Das heißt: Die Erwartungen an zukünftige Gewinne sind hoch, und das Potenzial für sinkende Kurse ist so größer als in Phasen mit niedrigen Bewertungen.

Aber – und das ist wichtig – aus solchen Bewertungen lässt sich nicht ableiten, ob morgen oder nächstes Jahr oder wann auch immer ein Crash kommt. Märkte können sehr lange über oder unter ihrem historischen Schnitt bleiben.

Im Grunde liegt das Shiller-KGV im US-Markt seit Anfang der 90er fast durchgehend über dem historischen Durchschnitt. Wer aber in dieser Zeit nicht investiert hätte, weil es ”zu teuer” aussah, hätte eine der renditestärksten Phasen in der Börsengeschichte verpasst!

Also, selbst echte Bewertungskennzahlen haben keine direkte Aussagekraft darüber, wie sich in der Zukunft die Kurse entwickeln. Niemand, auch nicht der tollste Analyst mit den meisten Kennzahlen, kann ansatzweise zuverlässig vorhersagen, was an der Börse demnächst passiert. Das wurde in diversen Studien belegt.

Diversifikation ist der Schlüssel

Um trotzdem das Risiko abzumildern, dass US-Tech-Aktien künftig schwächere Renditen liefern, hilft vor allem eins: Diversifikation. Wer weltweit investiert, hat die USA zwar automatisch stark im Portfolio, was völlig okay ist, weil dort viele der größten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt notiert sind. Gleichzeitig stecken aber auch europäische und Schwellenländer-Aktien drin, die aktuell deutlich günstiger bewertet sind.

Und nein, das heißt nicht, dass man jetzt alles auf Europa oder Emerging Markets setzen sollte. Denn, wir erinnern uns: Niemand weiß, wann welche Region besser läuft. Die USA gehören unbedingt dazu – nur eben nicht so stark gewichtet, dass andere Regionen kaum noch eine Rolle spielen.

Wer wartet verliert

Also ich fass das nochmal zusammen:

Für Dich als Anleger bedeutet all das: Ein Allzeithoch allein ist kein Grund, nicht zu investieren. Und auch die Tatsache, dass die Bewertungen einer einzelnen Region bzw. Branche gerade hoch sind, ist langfristig weniger entscheidend als die Frage, ob Dein Geld überhaupt am Markt arbeitet.

Wer auf den „perfekten“ Einstiegszeitpunkt wartet, wartet oft ewig und verliert Gewinne ohne Ende. Ich beobachte das jetzt seit über 10 Jahren und immer sind die Schlagzeilen voll von dramatischen Ankündigungen, dass es noch sie so wahrscheinlich war, wie jetzt, dass ein Crash kommt oder die große Rezession bevorsteht oder was auch immer.

Und in den kleinen Crashs selbst, die wir seitdem hatten – also während Corona oder der Zollankündigungen der USA – wurde immer berichtet, dass „unklar sei, wie schlimm es noch wird.“ Also verfallen die meisten Leute in eine Schockstarre und machen gar nichts.

Aber Fakt ist: Wer vor 10 Jahren 10.000 Euro in den globalen Aktienmarkt gepackt hätte, hätte jetzt über 25.000 Euro.

Und ja, irgendwann gibt es wieder einen Crash – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Vielleicht sind auch die Renditen von US-Tech-Aktien erstmal künftig niedriger. Aber was ist die Alternative? Sein Geld auf das Konto zu legen, wo es mit Sicherheit von der Inflation aufgefressen wird?

Was wir auf keinen Fall tun sollten, ist, in so ein schwarz-weiß-Denken zu verfallen. Auch mit niedrigeren Gewinnen sind Aktien immer noch die beste Anlageklasse, wenn wir vernünftig investieren. Also breit gestreut und langfristig.

Was wir auch auf keinen Fall tun sollten, ist Finanznews zu konsumieren. Die haben keinen relevanten Informationsgehalt für uns vernünftige Langzeitanleger. Einfach stoisch investieren und nicht ins Depot schauen ist wirklich der beste Rat, den ich geben kann.

Und wenn Du wissen willst, wie Du super effizient in globale ETFs investierst und dabei Anfängerfehler vermeidest, schau Dir am besten unser kostenloses Webinar an. Darin zeigen wir Dir, wie vernünftiger Vermögensaufbau wirklich geht – unabängig davon, wie die Kurse gerade stehen.

Verfasst von Dr. Anna Terschüren
Veröffentlichung: 11. Oktober 2025
LETZTE AKTUALISIERUNG: 11. Oktober 2025
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