Ist Passives Einkommen ein Scam?

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Passives Einkommen

Passives Einkommen: der heilige Gral unter den Investmentthemen. Geld verdienen ohne etwas dafür machen zu müssen. Klingt zu schön, um wahr zu sein. Ist es das auch? Geht das wirklich oder ist das Versprechen nur ein Scam? Das schauen wir uns in diesem Beitrag genauer an.

Überall finden wir Versprechen, wie wir an passives Einkommen gelangen. Jeder zweite YouTuber stellt seine fünf verschiedenen passiven Einkommensströme vor. Und an jeder Ecke tauchen Videos über die neusten Strategien auf.

Keine Lust zu lesen? Schau Dir unser Video zum Thema an:

https://youtu.be/h71eW49D3CI

Klar, passives Einkommen klingt super attraktiv. Es ist auch tief in uns verankert, möglichst schnell und einfach Dinge erreichen zu wollen. Darum ist es völlig normal, dass wir von Versprechen für den einfachen Reichtum stark angezogen werden – ob wir wollen oder nicht.

Aber was ist passives Einkommen eigentlich genau?

Der Begriff bezeichnet Einkommensströme, die keine weitere Pflege benötigen – sobald Du ein entsprechendes System aufgesetzt hast.

Das heißt, Du kannst Deine Zeit zum Netflix schauen nutzen, auf einer Karibik-Insel an Deiner Kokosnuss schlürfen, Videospiele zocken oder was auch immer.

Wenn Leute von passivem Einkommen sprechen, dann meinen sie entweder Einkommen aus Investments oder aus unternehmerischen Tätigkeiten.

Schauen wir uns diese beide Einkommensarten mal an:

Einkommen durch Investments

Bei Einkommen durch Investments erwirtschaften wir Renditen aus dem Besitz von Vermögenswerten. Das können zum Beispiel Aktien, Anleihen oder vermietete Immobilien sein.

Als passive Einkommensstrategie haben sie aber einen ziemlich großen Nachteil:

Dividenden, Zins- und Mieteinnahmen sowie andere Kapitalerträge erfordern zunächst viel Geld, wenn wir wirklich Geld verdienen wollen.

Nehmen wir mal ein Beispiel: Du legst Dein Geld in breitgestreuten ETFs an und kannst damit eine Rendite von durchschnittlich 8% erzielen. Die ist für jeden einfach und langfristig erreichbar.

Wenn Du damit das jährliche deutsche Durchschnittsgehalt von 48.000 Euro Brutto erwirtschaften möchtest, dann bräuchtest Du über 600.000 Euro an Ersparnissen. Und zwar ohne die Inflation zu berücksichtigen, sonst wäre es noch mehr!

Da musst Du vorab also schon ganz schön ackern für Dein passives Einkommen 🙂

Aber gerne werden auch Konzepte angepriesen, wo Du überhaupt keine Arbeit und/oder nur wenig Kapital reinstecken musst, um passives Einkommen zu erhalten.

Zum Beispiel durch Investment-Bots, die Dein Vermögen nehmen und es mit Hilfe von einzigartiger Software mit zweistelligen Renditen wachsen lassen.

Kredithebel bei Immobilien

Oder Du brauchst nur einen Kurs zu machen, wo Dir gezeigt wird, wie Du ein Immobilienimperium aufbauen kannst, indem Du mit nur 5% Eigenkapital eine Immobilie finanzierst und Dir den sogenannten Kredithebel zunutze machst.

Das Problem ist, dass bei diesen Versprechen nie das wahre Risiko-Rendite-Verhältnis gezeigt wird. Der Kredithebel kann nämlich genauso auch in die andere Richtung gehen und dann stehst Du mit einem riesigen Berg Schulden da statt mit einem passivem Einkommen.

Unser ganzes Kapital in eine Anzahlung auf ein Mietobjekt zu stecken, ist schlichtweg dumm. Wenn uns etwas ruinieren kann, sollten wir es sein lassen! Das ist nie ein Risiko, was wir eingehen sollten.

Auch, wenn es möglich ist, mit Immobilien Wohlstand aufzubauen, geht das mit einigen Risiken einher, die wir nur eingehen sollten, wenn wir bereits das Kapital haben, um einen Totalverlust zu kompensieren.

Denn mit Immobilien hast Du immer ein Klumpenrisiko, weil ja alles in diesem einen Objekt steckt. Und es kann einfach immer etwas Unerwartetes passieren: Rohrleitungen gehen kaputt, das Dach muss gemacht werden oder Schimmel breitet sich aus.

Das alles verursacht zusätzliche Kosten. Genauso können Grundsteuer und andere Nebenkosten steigen.

Wenn Du dann kein Cash hast, um solche Vorkommnisse abzufedern, ist der Traum vom passiven Einkommen schneller geplatzt als Dir lieb ist.

Deshalb ist hier Vorsicht geboten.

Klar, wenn Du an einen gewissen Punkt gekommen bist und schon ordentlich Vermögen angesammelt hast, können Immobilien ein Hebel für Deine Finanzen werden. Aber eben erst, wenn Du bereits Vermögen hast.

Und lass Dich bitte nicht verunsichern, wenn der nächste glückliche Immobilienbesitzer um die Ecke kommt und Dir erzählt, was für ein tolles Investment er getätigt hat.

Klar haben da auch einige Glück. Aber von denen, die Geld verloren haben, hörst Du nicht so viel, nehme ich an. Du bekommst hier also ein völlig verzerrtes Bild, wenn Du nur auf das vertraust, was Du um Dich herum hörst.

Du kannst auch im Lotto gewinnen, dennoch würden wir niemandem empfehlen, Lotto zu spielen 🙂

Gut, aber wie sieht es mit anderen Formen des passiven Einkommens aus? Es gibt noch zwei weitere erwähnenswerte:

Einkommen durch Unternehmertum

Dass das Einkommen von einem Unternehmer passiv sein soll, kann einen natürlich zum Schmunzeln bringen. Aber werfen wir mal eine Blick auf angeblich passive Geschäftsmodelle.

Besonders beliebt sind Drop-Shipping-Geschäfte, Strategien zur Werbeanzeigenschaltung, der Verkauf digitaler Produkte wie Onlinekurse oder E-Books, Affiliate-Marketing und undurchschaubare Pyramidensysteme, die Dir finanzielle Freiheit versprechen, wenn du drei andere Trottel dazu bringst, für das Programm zu bezahlen, in das Du selbst gerade ein paar Tausend Euro gesteckt hast.

Mit digitalen Produkten kannst Du auf jeden Fall Geld verdienen und auch passiver als bei vielen anderen Produkten: Indem Du einmal etwas erschaffst, dass Du dann auf lange Zeit unzählige Male verkaufen kannst ohne groß Mehraufwand mit jedem weiteren Käufer zu haben.

Allerdings sieht der langfristige Aufwand in der Praxis doch etwas anders aus. Wenn wir uns die Sache mal etwas genauer anschauen, wird schnell klar, warum der Traum vom passiven Einkommen durch wenig Aufwand bei den meisten Strategien nicht funktionieren kann.

Nehmen wir zum Beispiel Drop-Shipping: Die Grundidee von Drop-Shipping ist, dass wir einen Online-Shop aufbauen, in dem wir Produkte verkaufen, die von einem Dritten hergestellt und versandt werden.

So können wir Gewinne erzielen, ohne uns um die Logistik kümmern zu müssen.

Es gibt heutzutage Shopsysteme, mit denen wir einen solchen Dropshipping-Store innerhalb von Stunden aufsetzen können. Das Ganze kostet wahrscheinlich noch nicht mal 100€ inkl. Domain.

Außerdem gibt es inzwischen unzählige T-Shirt-On-Demand Dienstleister, wo wir innerhalb kürzester Zeit T-Shirts entwerfen und verkaufen können – ohne jemals eines dieser Shirts selbst in der Hand gehabt zu haben.

Alles vom Kauf bis zur Abfertigung läuft also automatisiert ab. Wir müssen nichts machen.

So und genau das ist das Problem: Es ist super einfach und das kann wirklich jeder.

Sprich: selbst, wenn Du mit viel Aufwand, Energie und wahrscheinlich Geld ein Gewinnerdesign bei einem T-Shirt entwickelst, kannst Du davon ausgehen, dass es innerhalb kürzester Zeit von Hunderten kopiert wird.

Es gibt eine totale Überversorgung an solchen Produkten, weshalb Dein Einkommensstrom nach kurzer Zeit versiegen wird.

Was machst Du also? Du entwirfst weitere Produkte, um wieder einen Gewinner zu finden. Die Frage ist dann nur: Was hat das mit passivem Einkommen zu tun?

Survivorship-Bias, Timing und Glück

Vielleicht hörst Du aber immer wieder von Leuten, die mit solchen Sachen erfolgreich sind?

Das ist genau das, was ich bereits bei den Immobilien angesprochen hatte:

Das nennt sich im Fachjargon Survivorship-Bias. Du siehst ganz viele Gewinner und von den Verlierern hörst Du nichts. Also fühlt es sich für Dich so an, als wäre die Wahrscheinlichkeit total hoch, selbst auch zu gewinnen – auch, wenn das statistisch gesehen überhaupt nicht wahr ist.

Und wir müssen natürlich auch bedenken, dass sich jeder so gut darstellt wie er kann. Du weißt also nie, wie viel Gewinn wirklich hinter den ganzen „Erfolgsstories“ steht.

Selbst, wenn wir davon ausgehen, dass alle die Wahrheit sagen, gibt es zwei Gründe, warum es nur wenige schaffen und die meisten nicht:

Der erste Grund ist das Timing. Das wird auch in dem Buch „The 22 Immutable Laws Of Marketing“* sehr gut beschrieben. Denn wie bei den meisten Unternehmungen gibt es einen gewissen First-Mover-Vorteil.

Die ersten Drop-Shipper haben mit ihren Shops mit geringem Aufwand zu einer Zeit, in der Online-Shops noch nicht so weit verbreitet waren, wahrscheinlich eine gute Menge Geld verdient.

Aber die Gewinne aus diesen Unternehmungen nehmen mit der Zeit eben auch schnell ab, da immer mehr Menschen die Vorteile nutzen, was, wie eben bereits beschrieben, zu einem Überangebot führt.

Dadurch wird die Chance für alle Nachkommenden schnell zunichte gemacht.

Wenn Du also eine Anzeige für einen Kurs siehst, den jemand vor ein paar Monaten zusammengestellt hat, nachdem er selbst eine passive Einkommensstrategie ausprobiert hat und drei weitere Erfolgsgeschichten vorweisen kann, kannst Du davon ausgehen, dass die Gelegenheit für Dich wahrscheinlich schon vorbei ist.

Der zweite Faktor für den Erfolg mit diesen Online-Strategien ist, wie Du es Dir wahrscheinlich denken kannst, Glück.

Glück spielt bei jeder unternehmerischen Tätigkeit eine Rolle und das umfasst natürlich auch Online-Kurse, E-Books, Blogs und jedes digitale Produkt, bei dem Du in einem Meer von Konkurrenten darum kämpfst, über Wasser zu bleiben.

Ähnliches gilt übrigens auch für die Angestellten-Welt, weil es auch da nicht zu 100% in der eigenen Hand liegt, ob Du beispielsweise eine Stelle bekommst oder befördert wirst. Etwas Glück spielt in unserem Leben eben immer eine Rolle.

Zeitversetztes Einkommen

Ja, fast 80 Prozent aller neuen Webshops scheitern angeblich, darunter auch Unternehmen mit einzigartigen Produkten.

Aber diejenigen, die gut abschneiden, sind wohl mit großer Wahrscheinlichkeit diejenigen, die mehr Zeit und Mühe investieren, um ihre Produkte immer an die aktuelle Marktsituation anzupassen.

Mit anderen Worten: Sie verdienen aktiv ihren Lebensunterhalt.

Und es ist völlig richtig, dass wir mit einem erfolgreichen Produkt einiges an „passiven“ Einnahmen erwirtschaften können. Aber zunächst müssen wir ordentlich Arbeit reinstecken und fast immer werden die passiven Einnahmen mit der Zeit weniger, da vergleichbare Produkte auf den Markt kommen oder einfach die Nachfrage sinkt.

Die Gewinner arbeiten also auch sehr viel für ihren Erfolg, indem sie sich immer wieder an die neuen Gegebenheiten anpassen.

Lass Dich nicht von passiven Einkommensstrategien ködern, die Dir Geld ohne Arbeit versprechen. Es ist leichter, die Schaufeln für Goldgräber zu verkaufen als selbst nach Gold zu graben.

Mit Ausnahme eines Lottogewinns oder eines glücklichen Erbes existiert passives Einkommen so nicht. Zumindest nicht im wahrsten Sinne des Wortes.

Statt passivem Einkommen wäre der bessere Begriff wohl „zeitversetztes Einkommen“, aber das klingt natürlich nicht so attraktiv.

Natürlich gibt es Einkommensarten, bei denen Deine Einnahmen nicht unmittelbar mit Deiner Arbeit verknüpft sind. Einige Sachen können Dir über die Zeit ohne super viel Arbeit Geld bringen – keine Frage.

Aufgepasst!

Aber wenn eine Sache zu gut klingt, um wahr zu sein, solltest Du die Finger davon lassen.

Die allermeisten der passiven Einkommensströme, die beispielsweise auf YouTube oder Blogs angespriesen werden, sind im besten Fall falsch dargestellt und schlimmstenfalls komplett erfunden, um verzweifelte Menschen auszunutzen.

Wenn es heißt, dass Du keine Arbeit reinstecken musst, um Geld zu verdienen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Du eher Geld verlieren wirst – durch Kursgebühren und Registrierungskosten oder was auch immer Dir abgeknöpft wird, damit Du die Sachen überhaupt machen kannst mit denen Du dann „passives Einkommen“ erhältst.

Mit unserem Blogpost hier soll übrigens niemand kritisiert werden, der den Begriff „passives Einkommen“ verwendet oder frei darüber spricht, wie wir nebenbei zusätzliches Geld verdienen können.

Was wir mit diesem Beitrag vermitteln wollen ist eigentlich nur, dass passives Einkommen niemals ohne Arbeit kommt.

Lohnt sich Unternehmertum dennoch?

Nichtsdestotrotz finden wir gerade das Unternehmertum extrem spannend und durch die Online-Welt hat sich das Risiko, ein Business zu starten, massiv minimiert. Wenn wir es schlau angehen, ist es aus unserer Sicht auch nicht risikoreicher als einen Job als Angestellter zu haben.

Wir haben selbst LazyInvestors ohne Startkapital neben unserem damaligen Beruf gestartet, nachdem wir vorher schon andere Sachen über Jahre ausprobiert haben, die nicht funktioniert haben. Und erst, als wir wussten, dass eine gute Nachfrage für finanzielle Bildung da ist und wir durch unsere Online-Programme ordentlich Geld verdienen konnten, haben wir unsere Jobs gekündigt.

Passiv ist das Ganze nicht, denn wie Du siehst drehen wir für unseren YouTube-Kanal fleißig Videos, schreiben Blogartikel, verbessern regelmäßig unsere Produkte usw. Aber wir arbeiten vermutlich trotzdem deutlich weniger als andere.

Denn ein Business bietet natürlich die Möglichkeit, im Laufe der Zeit „passiver“ Geld zu verdienen, durch Automatisierungen oder Outsourcing an Mitarbeiter.

Solange Du Dich also auf die richtigen Sachen fokussierst, kannst Du mit einem eigenen Business auf jeden Fall weniger als ein Angestellter arbeiten. Der Spruch „selbst und ständig“ hat sich für uns überhaupt nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil, wir sind in der Lage, unser Arbeitspensum nach unseren Regeln zu bestimmen.

Wenn Du also denkst, dass es eine Nachfrage für ein physisches Produkt, einen Online-Kurs oder ein E-Book zu einem Thema gibt, in dem Du Experte bist, dann hau raus! Aus unserer Sicht sollte es viel mehr Leute geben, die sinnvolle Sachen kreieren und der Welt zur Verfügung stellen.

Der ganze Weg des Unternehmertums kann so lehrreich und befriedigend sein. So ist es zumindest uns ergangen. Er kann Dir mehr Flexibilität, Geld und – wenn Du schlaue Arbeit reingesteckt hast – auch weitestgehend passives Einkommen bescheren.

Verfasst von Dr. Anna Terschüren
Veröffentlichung: 01. Februar, 2023
LETZTE AKTUALISIERUNG: 11. Dezember, 2023
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