Uns erreichen in letzter Zeit öfters mal Anfragen, die in diese Richtung gehen:
Ihr habt gesagt, die Staatsanleihen-ETFs von den Ländern mit bester Bonität seien dazu da, mein Portfolio zu stabilisieren. Als risikoarmer Bestandteil. Aber seit einiger Zeit geht es da nur noch bergab. Was soll ich tun?
Gute Frage! Am Ende des Posts solltest Du darauf eine Antwort haben.
Zinswende und Zinsänderungsrisiko
Seit Juli 2022 steigen die Zinsen wieder, davor waren sie seit 2008 fast kontinuierlich im Abwärtstrend.
Quelle: Statista
Was wir nun erleben, ist eine astreine Manifestation des Zinsänderungsrisikos: Steigen die Marktzinsen (was gerade passiert), dann sinkt eine noch laufende Anleihe im Wert. Denn sie wird natürlich unattraktiv, weil es mittlerweile höhere Zinsen gibt. Die alte Anleihe mit nur 0,05% Zins will keiner mehr haben.
Und das ist der Grund, warum aktuell die risikoarmen Staatsanleihen-ETFs „im Keller“ sind (wie sehr sie das wirklich sind sehen wir gleich).
Nun tritt dieser Effekt aber unterschiedlich stark auf – je nach dem, wie lange die Laufzeiten der Anleihen im ETF sind.
Die Laufzeit bezeichnet zunächst einmal den Zeitraum zwischen Ausgabe und Tilgung einer Anleihe. Bei Anleihen mit kurzer Laufzeit liegt dieser Zeitraum bei rd. 0-3 Jahren. Bei Anleihen-ETFs mit gemischter Laufzeit beispielsweise sind auch länger laufende Papiere dabei.
Eine Kurs-Veränderung ist bei langlaufenden Anleihen stärker als bei kurzlaufenden, da der Inhaber solcher Anleihen ja länger damit leben muss, dass er weniger Zinsen bekommt als am Markt.
Das kann man in der folgenden Grafik wunderbar erkennen. Hier siehst Du die Entwicklung eines ETFs mit gemischten Laufzeiten gegenüber einem ETF mit kurzen Laufzeiten:
Quelle: justETF
Die rote Linie ist von einem ETF mit kurzen Laufzeiten, die blaue von einem mit gemischten. Schon während des Seitwärtstrends hat der gemischte höhere Schwankungen, bevor sich dann beide zwar nach unten verabschieden – der „Gemischte“ aber deutlich stärker.
Konsequenzen für uns Anleger
Es ist immer wieder das Gleiche: Keine Rendite ohne Risiko. Denn größere Schwankungen (in der Fachsprache „Volatilität“) bergen natürlich auch größere Chancen bei einer gegenläufigen Zinsentwicklung.
Je kürzer die Laufzeit ist, desto weniger Risiko hingegen trage ich mit Blick auf Zinsänderungen (aber auch desto weniger Chancen).
Die kurzlaufenden Anleihen werden sich aller Voraussicht nach am schnellsten erholen, da die Anleihen im ETF schneller ausgewechselt werden. Man hat also nach kurzer Zeit frische Anleihen im ETF, die bereits höher verzinst werden.
Bei den gemischten Laufzeiten wird die Erholung eine ganze Ecke länger dauern (auch wieder: voraussichtlich, wir haben keine Glaskugel).
Nun wollen wir das Ganze aber mal etwas einordnen. Denn die Kurse sind zwar gesunken, aber wie stark denn eigentlich? Nehmen wir in den Vergleich mal einen globalen Aktien-ETF mit rein, siehst Du schnell, wie sich die Dimensionen verändern:
Quelle: justETF
Achtung: Neue Farben! Die Schwankungen vom kurzlaufenden Anleihen-ETF (orange) sind im Vergleich zum Aktien-ETF (rot) total harmlos. Selbst die Volatilität vom gemischten (blau) ist viel niedriger im Vergleich.
Der Punkt ist außerdem: Ob die Entwicklung positiv oder negativ ist, hängt natürlich total vom betrachteten Zeitraum ab! Schau mal hier:
Quelle: justETF
Die Volatilität in den letzten 11 Jahren ist bei beiden Anleihen-ETFs ein absoluter Scherz, setzt man sie ins Verhältnis zu Aktien. Da ist übrigens sogar der ETF mit den gemischten Laufzeiten im Plus.
Sind gemischte Laufzeiten denn überhaupt ok?
Lass uns mal etwas rauszoomen: Im Grunde gibt es nur zwei „Szenarien“ innerhalb eines Portfolios:
- Den stabilisierenden, risiko- und somit zwangsweise auch renditearmen Bestandteil: der sollte auch nicht viel schwanken. Logisch. Natürlich ist dann da nach Inflation auch keine Rendite zu erwarten. Und das ist total ok so.
- Den schwankungs- und renditestarken Anteil: der sollte durch Aktien abgebildet werden.
Wir schlagen vor, sich da klar zu entscheiden und nicht zu versuchen, mit längeren Laufzeiten mehr Rendite bei Anleihen rauszuholen. Also lieber kurzlaufende Staatsanleihen aus der Eurozone mit höchster Bonität neben dem Aktien-Teil zu wählen. Entweder Rendite oder Sicherheit.
„Ich hab gemischte Laufzeiten im ETF, was mach ich jetzt?“
Wir würden Dir empfehlen, langfristig gesehen auf einen ETF mit kurzen Laufzeiten umzusteigen. Das kann so aussehen, dass Du den alten einfach liegen lässt und ab jetzt frisches Geld in einen kurzlaufenden schiebst.
Schau gerne auf die Beispiel-Portfolios und nutze die verlinkten Suchmasken für unsere Empfehlungen hierzu. Die Inhalte sind auch in dem Teil, der Dir nach Kurs-Laufzeitende noch zur Verfügung steht („Modul 6“).
Den alten ETF kannst Du entweder, wie erwähnt, liegen lassen oder irgendwann verkaufen – am besten, wenn er sich wieder erholt hat. Denn hier gibt es keinen Grund, aktuelle Buchverluste zu realisieren (das ist was anderes, als wenn Du irgendwelche alten Aktien loswerden willst, an die Du nicht mehr „glaubst“).
Schau diesbezüglich auch gerne in die Lektion „Austausch von ETFs“.
Ganz wichtig: In dem Moment, wo die Zinsen wieder fallen (der wird ja früher oder später kommen), werden die langlaufenden Anleihen wieder deutlich im Wert steigen und die kurzlaufenden hinter sich lassen. Verkaufst Du JETZT Deine Langläufer und schichtest in Kurzläufer um, zementierst Du den Verlust und holst ihn lange nicht wieder ein. Also: abwarten mit dem Verkauf!
„Öhm, woher weiß ich, welche Laufzeiten die Anleihen in meinem ETF haben?“
Falls Du Dir nicht sicher bist, gib Deinen ETF bei justETF ein. Hier sind zwei Beispiele, wie Du das erkennen kannst:
Dieser ETF hat Anleihen mit Laufzeiten von 0-3 Jahren (siehe roter Rahmen). Das ist kurz.
Dieser ETF hat alle Laufzeiten. Eine Wundertüte. Im Factsheet kann man dann mehr darüber erfahren:
Und noch ein Hinweis: Solltest Du Staatsanleihen der Schwellenländer im Portfolio haben, ist das ein ganz anderes Thema. Die betreffen ja den offensiven Teil – hat also hiermit nichts zu tun.