Schwarz-Weiß ist selten: Wie binäres Denken unser Leben versaut hat

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Schwarz-Weiß-Denken

Einer unserer Lieblings-Komiker, Kurt Krömer, hatte schwere Depressionen. Diese Nachricht ging durch die Medien und hat uns für das Thema dieses Blogposts inspiriert. Wir sprechen gerne über sogenannte Tabu-Themen, weißte ja 😉

Die Sache ist: Gerne beurteilen wir andere Menschen und uns selbst im Schwarz-Weiß-Modus.

Was ist mit Schwarz-Weiß-Denken gemeint?

Beim Schwarz-Weiß-Denken schiebt der Mensch neutrale (graue) Informationen in die negative (schwarze) Kategorie, was auf depressives Denken hindeutet.

– Wikipedia

Das Gehirn hat die Tendenz in Extremen zu denken. Entweder bin ich Alkoholiker oder nicht, depressiv oder nicht, essgestört oder nicht etc. 1 oder 0. Das nennt sich auch Alles-oder-Nichts-Denken oder Dichotomie in der Psychologie.

Aber…

…fast alles ist ein Spektrum mit verschiedenen Graustufen.

Am deutlichsten ist uns das beim Thema Alkohol aufgefallen, als wir mit unserem Freund Tim Alkoholfrei-Challenges veranstaltet haben.

Natürlich gibt es DEN Alkoholiker, der morgens um acht schon beim Korn ist. Aber viele Leute sind irgendwo auf dem Spektrum zwischen Anti-Alkoholiker und Volle-Möhre-Alkoholiker.

Was entscheidend ist:

Steht der Alkohol einem in irgendeiner Weise im Weg – unabhängig von der Menge, die man trinkt – hat man ein Problem. Das ist subjektiv, nicht objektiv.

Und dies gilt auch für die Themen Depressionen, Essstörungen und Co.: Diese Dinge sind meist nicht schwarz-weiß, sondern auf einen Spektrum angesiedelt.

Das Problem dabei: Wir halten uns oft viel zu lange mit den Diagnosen auf, bevor wir uns Hilfe suchen. Wir möchten wissen, ob wir “schwarz” oder “weiß” sind.

Das geht oft mit dem Gedanken einher: “Es geht mir zwar nicht gut, aber ich hab kein echtes Problem – anderen geht es viel schlechter!” Natürlich gibt es IMMER jemanden, dem es schlechter geht. Das ist bei Graustufen ziemlich sicher.

Manche Menschen haben eine kurze depressive Episode, andere kommen monatelang kaum aus dem Bett. Der eine ist offensichtlich magersüchtig, der anderen sieht man es nicht an, aber sie ist trotzdem innerlich besessen vom Zwang, dünn zu sein und kann an kaum etwas anderes als an ihre Figur und ihr Essverhalten denken.

Egal, wo Du Dich ansiedelst: Nimm Dich ernst! Wenn Du immer wieder unglücklich bist, warte nicht so lange, bis “der Fall klar ist” oder weil Du Angst hast, jemand anderem “den Platz wegzunehmen”.

Es ist so wichtig, sich um seine seelische Gesundheit zu kümmern

Denn ist die nicht einigermaßen im Lot, wirst Du oftmals auch körperliche Folgen davontragen.

Und auch beim (im Verhältnis) weniger wichtigen Thema Finanzen hat das einen entscheidenden Einfluss. Dir werden die besten Spar- und Investment-Tipps nicht helfen, wenn Du noch andere Blockaden zu lösen hast und somit aktuell gar nicht ins Handeln kommen kannst.

Aber das nur am Rande.

Wie Du Dir Hilfe holst

Ok, angenommen, “man” würde sich gerne Hilfe holen, was macht man am besten? Geht man zum Coach oder zum Psychotherapeuten?

Bist Du einfach unglücklich, weißt nichts mit Dir anzufangen oder fühlst Dich in irgendeiner Weise blockiert, dann würden wir schwer empfehlen, zu einem Psychotherapeuten zu gehen.

Unsere Erfahrungen haben gezeigt, das erst einmal Dinge aus der Vergangenheit bewältigt werden müssen, um sich künftig gut um sich kümmern zu können. Deine Kindheitserlebnisse haben großen Einfluss auf Dein Erwachsenen Leben.

Bist Du hingegen im Allgemeinen gut drauf und weißt, was Du willst – nur in einem bestimmten Bereich würdest Du gerne Fortschritte machen, dann würden wir einen Coach empfehlen.

Der kann mit Dir “trainieren”, Verhaltensweisen und Co. zu ändern.

Hat hier jemand was von Therapie gesagt?

Also kurzum: Mit einem Psychotherapeuten schaust Du in die Vergangenheit und mit einem Coach in die Zukunft. Beides hat seine Berechtigung aus unserer Sicht und kann sich das gut ergänzen. Und klar, das ist auch nicht immer so trennscharf.

Man kann das auch sinnbildlich so beschreiben, zum besseren Verständnis:

Ein Psychotherapeut ist wie ein Arzt, ein Coach wie der Trainer. Hast Du ein gebrochenes Bein, muss das erstmal vom Arzt behandelt werden, bevor Du wieder Muskeln aufbauen kannst. Bist Du nur zu schwach, kannst Du direkt mit dem Trainer Deine Muskeln aufbauen. Das wäre aber eine schlechte Idee, wenn das Bein (noch) gebrochen ist. Ungefähr so 🙂

Beide Varianten haben auch uns übrigens schon sehr viel geholfen. Und ja, Du wirst wahrscheinlich ein paar Leute testen müssen, bis Du die richtige Person gefunden hast.

Und nochmal ja, je nach dem, wie viel sich bei Dir “angesammelt” hat, kann es seeehr lange dauern, bis Du die innere Instabilität überwunden hast.

Aber wir können Dir nur Mut machen: Es lohnt sich! Zumindest ist das unsere Erfahrung:

Schluss mit Schwarz-Weiß-Denken

Anna litt schon in jungen Jahren unter gestörtem Essverhalten und arbeitet immer noch an ihrer Genesung. Das hat übrigens so lange gedauert, weil sie ihr Problem ewig als “nicht schlimm genug” abgetan hat. So viel dazu 😉

Eddy war als Kind von viel Traurigkeit überschattet und lebte lange nach dem Motto: “Geht schon irgendwie”.

Nun sind wir beide nie an den Punkt gekommen, dass es uns so schlecht ging, dass wir in eine Klinik mussten oder Ähnliches. Wir konnten auch immer unserer Arbeit nachgehen und quasi unauffällig Teil der Gesellschaft sein. Doch so toll war das oft auch nicht.

Die meisten hängen im Zwischenstadium

Wir haben den Eindruck, dass der Großteil der Menschen (zumindest in unserer Kultur) eher in diesem Zwischenstadium hängt, als jetzt ein super lähmendes Problem zu haben. Und genau hierfür wollen wir an dieser Stelle sensibilisieren:

Jeder Mensch hat das Recht, sich Hilfe zu holen und wir wollen dazu ermutigen, dass es genau so normal wird, zum Psychotherapeuten zu gehen wie zum Zahnarzt.

Und dass man locker mit seinen Freunden und Arbeitskollegen darüber sprechen kann und sich miteinander frei austauscht. Wie geil wäre das denn bitte?! 🙂

Wie Dich Schwarz-Weiß-Denken zurückhält

Fassen wir mal zusammen, was das binäre Denken mit einem macht:

Schwarz-Weiß-Denken verletzt Dein Selbstbild

Sprichst Du von Dir als „guter“ oder „schlechter“ Mensch, bist Du genau in die Falle getappt. Wer kennt das nicht und hat sich nicht schon mal selbst beschimpft? Aber denke an die Graustufen – nichts ist schwarz-weiß, auch Du liegst irgendwo dazwischen.

Das binäre Denken lässt Dich somit entweder übermäßig selbstkritisch sein oder Deine Schwächen nicht sehen. Dann bist Du überempfindlich gegenüber Kritik von anderen. Die Folge: Du behinderst Dich selbst in Deinem Wachstum.

Deine Beziehungen leiden

Nutzt Du Deinem Partner gegenüber Formulierungen wie „immer machst Du das“ oder „Du bist die tollste Person der Welt“? Diese Extreme sind für Beziehungen sehr belastend.

Versuche lieber, auch Deine Partner und Freunde als das zu sehen, was sie sind: unperfekte, fehlbare Wesen und nicht ganz toll oder ganz schlecht.

Es hält Dich vom Erfolg ab

Wenn Du innerlich der Meinung bist, dass Du nichts kannst oder nur, weil ein Tag oder eine Woche richtig bescheiden war, die Flinte ins Korn wirfst, dann hast Du unrealistische Erwartungen an das Leben und bist im binären Denken gefangen.

Auch hier gilt es, das Spektrum anzuerkennen und vor allem die Vogelperspektive einzunehmen. Das ist wie bei der Geldanlage: Es gibt immer gute und schlechte Tage, aber im großen und ganzen geht es bergauf, wenn Du Dich breit aufstellst 🙂

Das Leben ist mega komplex und auch Dein Berufsleben hat Vor- und Nachteile, Höhen und Tiefen.

Praktische Tipps um dem Schwarz-Weiß-Denken zu entfliehen

Wie immer, wenn man etwas überwinden will, muss man erstmal die Realität akzeptieren. Praktizierst Du viel Schwarz-Weiß-Denken? In welchen Bereichen am meisten?

Da es sich um Gedankenverzerrungen handelt, kann das manchmal gar nicht so einfach sein, diese zu erkennen.

Deshalb haben wir die Therapie so propagiert, da man dort eine Sicht von außen bekommt. Ein guter Freund oder Freundin kann hier natürlich auch schon Wunder wirken.

Anna und ich sind immer wieder froh, dass wir uns konstant ehrlich austauschen und so gegenseitig unsere Gedankenverzerrungen entdecken können. Wir achten auch darauf, binäre Formulierungen („Immer machst Du…“, „Nie werde ich…“) nicht zu nutzen.

In Beziehungen ist es hierbei super hilfreich, das Killer-Mindset für Gelassenheit zu praktizieren: „Versuche erst, Dein Gegenüber zu verstehen“. So gehst Du emphatischer an die Sache ran und fühlst Dich auch selbst gleich besser. Uns hilft das regelmäßig.

Ein ausgewogenes Denken hat uns zu einem besseren Leben verholfen

Dass man es komplett schafft, Dinge nicht mehr schwarz-weiß zu sehen, halten wir für utopisch, da immer Emotionen im Spiel sind. Uns geht es vielmehr darum, die eigenen Denkmuster immer schneller zu erkennen und möglichst gleich wieder zu relativieren.

Für was ist es gut?

… ist eine beliebte Psychologen-Frage. Und tatsächlich: Das binäre Denken ist eine Schutzfunktion, die Dich vor Überforderung schützt. Dieses Denken gibt Dir kurzfristig Sicherheit.

Dinge oder Menschen zu verurteilen gibt einem ein Gefühl von Kontrolle und Einfachheit. Dann brauch ich mich damit auch nicht weiter zu beschäftigen. Die Sache hat also schon ihren Zweck.

Nichtsdestotrotz: Je weniger wir binäres Denken nutzen und die Komplexität des Lebens akzeptieren, desto besser geht es uns.

Verfasst von Martin Eckardt
Veröffentlichung: 24. September, 2021
LETZTE AKTUALISIERUNG: 11. Dezember, 2023
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