Wann habe ich ausgesorgt? (Zinseszinseffekt)

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zinseszinseffekt

Was unterscheidet die Mittelschicht von den Multimillionären? Wie kann man finanziell frei werden, ohne entweder einfach nur Glück zu haben oder sich totzuackern?

Immer wieder schauen wir neidisch auf Leute wie Warren Buffett, der ein riesiges Vermögen besitzt:

“Ich wäre auch gerne so reich! Was muss ich dafür tun? Was ist sein Geheimnis?”

Der Ratschlag lautet dann meist: “Du musst nur so investieren wie er! Dann kannst auch Du reich werden!”

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Der wahre Grund für Buffetts Erfolg

Die Sache ist die: 93 Milliarden von Warren Buffetts aktuell 96 Milliarden USD großem Vermögen kamen nach seinem 65. Geburtstag hinzu, mittlerweile ist er über 90 Jahre alt.

Das sind also über 96% an Wertsteigerung seitdem er 65 Jahre alt ist.

Natürlich ist Buffett ein großartiger Investor. Er fällt mit extrem viel Bedacht seine Entscheidungen und ist eine absolute Koryphäe, das steht außer Frage.

Aber der wahre Schlüssel zu seinem enormen Erfolg liegt darin, dass er den Spaß schon seit über 80 Jahren betreibt! Denn Buffett hat schon mit zehn Jahren mit dem Investieren begonnen. Und zwar ernsthaft.

Morgen Housel hat in seinem großartigen Buch The Psychology of Money* vorgerechnet: Wenn Buffett nicht mit 10, sondern erst mit 30 mit dem Investieren angefangen hätte (was ja die meisten von uns frühestens machen) und mit 60 in den Ruhestand gegangen wäre, dann läge bei gleichen unterstellten Renditen sein Vermögen heute bei “nur” rund zwölf Millionen.

Das sind 99,9% weniger als er real hat.

Es gibt da draußen übrigens Investoren, die deutlich mehr Rendite einfahren. Buffett hat aber dieses riesige Vermögen, weil er eben schon so ewig daran arbeitet.

Der entscheidende Punkt ist also die Zeit.

Wenn Geld über einen langen Zeitraum “liegen” kann, kann schon eine moderate Rendite dazu führen, dass Dein Hirn beim Wertzuwachs völlig aussteigt.

So funktioniert der Zinseszins

Nehmen wir hierfür mal ein für unsereins eher realitätsnahes Szenario: Du kannst monatlich 200 Euro sparen.

Das Geld lässt Du aber nicht wie unser ehemaliger Finanzminister Scholz auf dem Girokonto liegen, sondern investierst es vernünftig, am besten in global gestreute ETFs. Das ist eine simple, wissenschaftlich fundierte Strategie, die sich seit Jahrzehnten am besten bewährt hat, um sein Vermögen aufzubauen.

An Rendite kann man rund 8% pro Jahr annehmen, wenn man historische Daten heranzieht. Das ist die durchschnittliche globale Rendite am Aktienmarkt über die letzten Jahrzehnte.

Zwischen dem 20. und 25. Anlagejahr würde sich Dein Vermögen um fast 60.000 Euro steigern. Zwischen dem 30. und 35. Jahr – also auch innerhalb von nur fünf Jahren – würde die Steigerung jedoch 120.000 Euro betragen!

Das ist doppelt so viel – in einem gleichen Zeitraum. Und das liegt schlichtweg am Zinseszinseffekt.

Übrigens: Der Begriff Zinseszins gilt natürlich nicht nur für Zinsen, sondern für Renditen im Allgemeinen. Der englische Begriff Compound-Effect beschreibt das wesentlich besser.

Es gibt keine “Abkürzung zum Reichtum”, die nicht mit massivem Glück zu tun hat.

Wohlstand basiert – so ganz allgemein ausgedrückt – insbesondere auf dem Zinseszins.

Das Problem ist: Unsere Gehirne können nur linear denken. Exponentielles Wachstum ist der größte Brainfuck. Das funktioniert einfach nicht in unserer Vorstellungskraft.

Aber: Je mehr man sich mit der Wirkungsweise konfrontiert, desto mehr kann unser Hirn üben. Also schauen wir uns mal einige Beispiele an und wie lange es dauert, bis verschiedene Beträge zusammenkommen.

Mit so viel Geld kannst Du rechnen

Angenommen, Du bist 25 Jahre alt und startest mit einer Sparrate von 200 Euro pro Monat. Gerade stehst Du ja vermutlich noch am Anfang Deines Berufslebens, aber weil Du natürlich immer mehr Erfahrungen sammelst, Deine Fähigkeiten verbesserst und somit auch mehr verdienst, steigerst Du Deine Sparrate um 2% jährlich.

Schauen wir also mal, welche Beträge auf Deinem Konto zusammenkommen, wenn Du Dein Geld wie oben beschrieben anlegst:

Die ersten 100.000 Euro lassen auf sich warten. Dafür musst Du 18 Jahre lang anlegen. Aber den nächsten Schritt auf 200.000 Euro, also eine Verdopplung Deines Vermögens, machst Du schon nach weiteren sechs Jahren! Das dauert also nur 1/3 so lange wie die ersten 100k. 300.000 Euro hast Du nach vier weiteren Jahren auf Tasche. Nur vier Jahre für 100.000 Euro! Und so läuft das dann während Deiner Ansparzeit immer weiter:

Sparrate 200 Euro, 2% Steigerung
Die 100.000er-Sprünge sind rot markiert, die erste Million in grün

Du siehst also, das dauert erstmal, bis Du ordentliche Sprünge machst. Aber dann gehts ab! Falls Du bis 67 sparst, weil Du dann in Rente gehst, hast Du fast eine Million Euro auf der Seite.

Dieser Zinseszins ist einfach krass. 25% Deines Vermögens z.B. werden in 7% Deiner Ansparzeit, nämlich den letzten drei Jahren, erwirtschaftet. Das ist doch abgefahren!

Wenn Du schon etwas älter bist und „erst“ mit 35 loslegst, dann hättest Du zu Rentenbeginn ca. 400.000 Euro auf dem Depot. Das ist natürlich nicht so prall: Obwohl Du nur zehn Jahre weniger investieren kannst, also 32 anstelle 42 Jahre, ist Dein Vermögen weniger als halb so groß.

Du siehst also, der Zinseszins macht richtig Spaß, wenn er Zeit hat. Steigst Du später ein, musst Du mehr sparen, klar! Aber keine Sorge, auch dann ist ein super Ergebnis realistisch:

Vielleicht bist Du „schon“ 35, hast dafür aber ein Anfangskapital von 40.000 Euro, das Du direkt investieren kannst. Und Du legst 400 Euro im Monat zur Seite, ein immer noch sehr gut machbarer Betrag. Und auf weitere Steigerungen verzichten wir jetzt mal, nehmen also an, dass Du bis zur Rente „nur“ 400 Euro im Monat sparst.

Für die ersten 100.000 Euro musst Du sechs Jahre lang investieren. Den nächsten Schritt auf 200.000 Euro machst Du nach weiteren sechs Jahren (das Anfangsinvest war quasi ein Turbo für die ersten 100k).

300.000 Euro hast Du schon nach 4 weiteren Jahren auf Tasche. Und zum Renteneintritt hast Du über eine Million Euro auf der Kante.

Auch, wenn Du erst mit 40 startest, kommst Du noch auf eine Million zu Rentenbeginn, wenn Du neben dem obigen Anfangsinvestment allerdings 620 Euro pro Monat sparst.

Warum scheitern denn dann die meisten, auch, wenn sie eigentlich genug zur Seite legen können? Ganz einfach, weil sie die Power des Zinseszins nicht auf dem Schirm haben.

Und der ist ja auch frustrierend, denn jahrelang geht es nur schleppend voran, klar! Doch nach hinten raus rappelt es halt so richtig im Kanton.

So lässt Du den Zinseszins für Dich arbeiten

Weil unsere Hirne das mit dem exponentiellen Wachstum einfach nicht verstehen, müssen wir sie immer wieder daran erinnern und Geduld beweisen.

Daraus folgen eigentlich drei wichtige Regeln:

  1. So schnell wie möglich loslegen. Dann hat der Zinseszins am meisten Zeit, zu arbeiten.
  2. Die Sparrate bestmöglich steigern.
  3. Und das Wichtigste: durchhalten!

Und noch ein kurzer Hinweis: Die Berechnungen sind natürlich stark vereinfacht, u.a. ohne Inflation, Steuern und Renditeschwankungen. Wir wollen ja hier das Prinzip erklären, worauf es ankommt und was überhaupt möglich ist.

Die Inflation ist natürlich ein wichtiger Aspekt, denn die Kaufkraft wird ja dauerhaft gemindert.

Außerdem müssen die Gewinne versteuert werden, allerdings nur mit 25%. Und, ganz wichtig, nur die Gewinne, also Dein Vermögen ohne Deine Einzahlungen! Das wird gerne mal übersehen.

Umso mehr gilt also: Loslegen, steigern, durchhalten sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Wie so oft im Leben. Dann klappt das auch mit dem Reichwerden.

Gut, schauen wir noch mal auf ein Szenario, wenn Du eine richtig ordentliche Sparrate hast von 800 Euro im Monat. Womit kannst Du dann rechnen?

Die 100.000er Sprünge werden natürlich immer schneller. Bereits nach acht Jahren hast Du die ersten 100.000 Euro und so weiter. Nach 29 Jahren hast Du Deine erste Million beisammen, nach 37 Jahren sind es schon zwei Millionen. und nach nur fünf weiteren Jahren sind es drei.

Sparrate 800 Euro
Die 100.000er-Sprünge sind rot markiert, die Millionensprünge grün

Auch, wenn Du nicht 800 Euro im Monat sparen kannst: Wenn Du nicht mit 67 den Stift fallen lässt, sondern eine Arbeit hast, die Dir Spaß macht und Du noch ein bisschen weiter machst, wird Dir jedes Jahr der Zinseszins massiv in die Karten spielen. Das ist sozusagen der absolute Hack 🙂

Nutze gerne mal unseren Zinseszins-Rechner, wenn Du Deine eigenen Szenarien rechnen willst.

Der größte Feind vom Zinseszins

Also, auch wenn wir es uns nicht vorstellen können: Der Zinseszins ist real. Und wir sollten uns möglichst oft vor Augen führen, wie enorm er für uns arbeitet, wenn wir ihn auch lassen.

Denn, die größte Gefahr auf dem Weg zu Wohlstand sind wir selbst.

Wir sind es selbst, die uns im Wege stehen. Weil wir ungeduldig sind und uns an allen möglichen Stellen durch Shiny Objects aka “der heißen neuen Investment-Strategie” ablenken lassen und deshalb nicht konstant etwas durchziehen.

Nicht ohne Grund investieren so viele Leute zum Beispiel in Einzelaktien – in der Hoffnung, die große Kohle zu machen, auch, wenn jede Studie zu dem Ergebnis kommt, dass wir mit der konstanten Investition in ein breitgestreutes Aktien-Portfolio viel besser fahren würden.

Also, es geht nicht darum, das krasseste Investment zu kennen (was sowieso niemand systematisch, sondern nur per Glück schafft), sondern ein vernünftiges, und dieses so lange wie möglich durchzuziehen.

Die größten Hebel sind die Zeit und natürlich die Anlagesumme – also das, was Du regelmäßig investierst. Wenn Du es schaffst, Dich Dein Leben lang auf diese Punkte zu konzentrieren, stehst Du am Ende verdammt gut da.

Demnach kannste die ganzen Investmentbücher in die Tonne hauen. Und Dir einfach nur merken: Leg Dein Geld vernünftig an und warte ab. Sitze Krisen aus, bleib entspannt und konzentriere Dich eher auf die Erhöhung Deines Einkommens, wenn Du Deine Geldanlage endlich auf den Weg gebracht hast.

Verfasst von Dr. Anna Terschüren
Veröffentlichung: 29. August, 2022
LETZTE AKTUALISIERUNG: 10. November, 2024
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