Lohnt sich eine ETF-Rentenversicherung (Nettopolice)?

Lesezeit: ca. minuten

ETF-Rentenversicherung

Macht es mehr Sinn, eine ETF-Rentenversicherung abzuschließen, als selbst in ETFs anzulegen? Die Frage bekommen wir super oft gestellt und der gehen wir heute in diesem Beitrag mal auf den Grund.

Keine Lust zu lesen? Schau Dir unser Video zum Thema an:

Zunächst ist es ja völlig verständlich, das wir eigentlich lieber die Versicherung nutzen wollen. Da kümmert sich nämlich erstens jemand anders um meine Altersvorsorge und ich muss nix machen und zweitens hab ich da was „Sicheres“, denn das Hauptfeature einer Versicherung ist ja „Sicherheit“.

Kommen wir erstmal zum ersten Punkt, dem „jemand anders kümmert sich“:

Jemand anders kümmert sich?

Ganz kurz zum Verständnis vorab: Die künftige Rentenhöhe aus unserer ETF-Versicherung hängt davon ab, wie der ETF oder die ETFs in der Versicherung performen. Denn anhand unseres angesparten Vermögens zu Rentenbeginn werden die künftigen Zahlungen festgelegt. Zwar bekommen wir dann darauf basierend eine garantierte Rente bzw. eine Einmalauszahlung oder was auch immer – wir sind aber in der Ansparphase ebenfalls den kompletten Marktrisiken ausgesetzt.

So, auch, wenn wir ja eigentlich dafür bezahlen, uns nicht damit beschäftigen zu müssen, kommen wir wohl oder übel nicht drum herum, zu verstehen, in was wir da eigentlich investieren. Denn wir wählen ja die ETFs aus! Und um diese Entscheidung vernünftig treffen zu können, brauchen wir natürlich entsprechende Kenntnisse.

Wir können natürlich auch etwaigen Empfehlungen einfach blind vertrauen. Kommt dann aber zum Beispiel eine dicke Krise und die Kurse rauschen ab, kann einem da – ohne die grundlegende Bildung, wie ETFs bzw. ganz allgemein Kapitalmärkte funktionieren – Angst und Bange werden.

Sind wir dann verunsichert, weil uns die nötige Kompetenz fehlt, die aktuelle Situation und insbesondere langfristige Auswirkungen richtig einzuschätzen, neigen wir leicht zu Panikverkäufen und machen so echte Verluste. Denn uns kann dann schlichtweg die Zuversicht fehlen, die ETFs weiter zu halten.

Abbruchquote

Jetzt könnte man ja meinen, dass das bei der eigenen Anlage in ETFs am schlimmsten sei. Denn da haben wir ja unmittelbaren Zugriff drauf und können so relativ leicht beispielsweise einen Sparplan aussetzen oder sogar Verkäufe tätigen.

Aber – ganz unabhängig vom Grund – werden laut der BaFin nur die Hälfte der Rentenversicherungen über 18 Jahre gehalten – so die Stiftung Warentest. Die Abbruchquote ist also gewaltig, die liegt bei 50%!

Ja, die meisten Leute denken bei Vertragsabschluss, sie müssten sich um nichts mehr kümmern, rudern dann aber doch zurück und haben dann auch noch erhebliche finanzielle Nachteile bei einem vorzeitigen Auflösen der Versicherung.

On Top kommt zudem, dass wir noch das komplizierte Versicherungskonstrukt selbst verstehen müssen, um seine Sinnhaftigkeit zu beurteilen, nicht nur den ETF.

Somit vervielfacht sich die Arbeit auf unserer Seite vor Vertragsabschluss, wenn wir guten Gewissens das Ganze machen und Frieden mit dem Thema finden wollen, während das bei der eigenen Anlage in ETFs recht zügig geht.

Was passiert im Todesfall?

Und wir müssen vor Vertragsabschluss noch eine weitere, super wichtige Entscheidung treffen:

Möchten wir unser Versicherungsvermögen vererben können, müssen wir vor Abschluss entscheiden, ob wir eine sogenannte Hinterbliebenenabsicherung wünschen.

Wenn wir uns dafür entscheiden, ist das selbstverständlich mit weiteren Kosten verbunden, denn das lässt sich die Versicherung schön bezahlen. Sollten wir nun ableben und haben das nicht vorher geregelt, ist die Kohle weg bzw. die Versicherung freut sich, weil unser ganzes Vermögen bei ihr bleibt. Also Win-Win für die Versicherung, nicht für uns und unsere Angehörigen.

ETFs hingegen sind immer genauso vererbbar wie das Guthaben auf unseren Bankkonten oder Immobilien und so weiter. Da muss vorher nix entscheiden sein.

Kommen wir nun zum zweiten Aspekt, der Sicherheit.

Wie gerade schon erklärt, können wir uns mit der Versicherung während der Ansparphase null vor Kursschwankungen und Marktrisiken schützen. Denn unsere Rente wird ja erst am Ende festgelegt.

Falls wir uns also genau davor schützen wollen, bringt der Versicherungsmantel rein gar nichts! Der Schutz der Versicherung greift nur mit Blick auf die lebenslange, garantierte Auszahlung, wie hoch diese aber sein wird, können wir im Vorfeld nicht wissen.

Garantien und Risiko

Und jetzt wird es spannend: Genau hierdurch, also durch die garantierte lebenslange Rente, kommt es zu ziemlichen Risiken mit Blick auf unser Vermögen, wenn es Richtung Ruhestand geht. Die Versicherung muss nämlich aus Compliance-Gründen zu einem bestimmten Zeitpunkt in renditearme Anleihen umschichten, um eben unsere Rente garantieren zu können.

Sollte nun gerade zu diesem Zeitpunkt der Umschichtung eine Krise am Kapitalmarkt sein, gehen unsere jahrzehntelangen Spar-Bemühungen ziemlich in die Knie, weil die aktuell schlechten Kursstände zementiert werden.

Das haben wir zuletzt beim kurzen, aber starken Kurseinbruch während Corona gesehen, als ein ETF-Riesteranbieter zum absoluten Tiefstand Aktien verkaufen und in Anleihen umschichten musste, um seine Garantien erfüllen zu können. Kurze Zeit später waren die Aktienkurse wieder auf neuen Höchstständen, aber davon hatten die Riester-Sparer nix, denn sie waren nicht mehr in Aktien investiert.

Die Leute hatten keine Chance, zu intervenieren und konnten nur zuschauen, wie ihr Geld vernichtet wurde.

Als Selbstanleger in ETFs können wir hingegen viel flexibler gestalten, wie und wann wir risikoarme Anlagen hinzunehmen, um unsere Rente zu sichern.

Ausfallrisiken

Stichwort Sicherheit: Ein weiteres, unterschätztes Problem ist das sogenannte Gegenparteirisiko. Was bedeutet das? Gehen wir erstmal von einem harmlosen Fall aus:

Sollte die Versicherung in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, kann es gut sein, dass unsere Ansprüche gekürzt werden. Das ist schonmal richtig blöd, aber im Falle einer echten Insolvenz hingegen gibt es auch ein echtes Ausfallrisiko.

Ich zitiere mal Gerd Kommer:

“Das besagte Risiko wird nicht wirksam durch die Auffang-Selbsthilfeorganisation der deutschen Versicherungswirtschaft, die »Protektor Lebensversicherung AG«, reduziert. In einer systemischen Krise des Versicherungssektors, die definitionsgemäß zeitgleich mehrere Versicherungsunternehmen beträfe, wäre Protektor viel zu schwach und zu unterkapitalisiert, um zuverlässig helfen zu können. Selbst wenn nur die größte zugehörige Versicherungsgesellschaft, die Allianz, einzeln und alleine umfiele, würde Protektor in die Knie gehen.”

Quelle: Kommer, Gerd u. Gierhake, Olaf: Souverän Vermögen schützen, Frankfurt 2021, S. 348

Legen wir hingegen direkt in ETFs an und lassen den Mittelsmann, also die Versicherung, einfach weg, besteht kein derartiges Risiko, da unsere Anteile im Sondervermögen geschützt außerhalb der Insolvenzmasse der Fondsgesellschaft liegen.

„Sicherheit“ ist in diesem Zusammenhang also eher irreführend, da unser Vermögen außerhalb der Versicherung bei einer eigenständigen Anlage deutlich sicherer liegt. Verrückt oder?!

Und zu guter Letzt ist die mangelnde Transparenz ein echtes Problem: Den Vertrag genau verstehen? Die Kosten wirklich durchdringen? Viel Erfolg…

Bei ETFs hingegen gibt es keinen Mittelsmann, der davon profitiert, dass wir nichts verstehen, ganz im Gegenteil: Hier stehen alle Informationen frei zur Verfügung. Wir werden als Privatpersonen genauso behandelt wie institutionelle Anleger.

Was bringt mehr Geld?

Übrigens, rein rechnerisch kommt die eigene Anlage in ETFs im Vergleich zur günstigsten Versicherung auch noch besser weg, wenn wir beide Formen richtig miteinander vergleichen – unter Berücksichtigung aller vermeintlichen Steuervorteile der Versicherung. Zu diesem Schluss kam z.B. auch die Stiftung Warentest in ihrer neuesten Ausgabe:

“Wer im Alter frei über sein Geld verfügen möchte, für den sind Sparplan oder freie Fondsanlage im Vergleich zur Fondspolice stets die bessere Variante. Bei der Auszahlung einer fondsgebundenen Rentenversicherung fallen zwar weniger Steuern an als bei einem reinen Sparplan. Die höheren Kosten verhageln aber das Renditeergebnis. Selbst die günstigsten Versicherungen können da nicht mithalten.”

Quelle: Stiftung Warentest, Finanztest 4/2023, S.27

Da lag übrigens der Vorteil durch die eigene Anlage in ETFs bei bis zu 20.000 Euro, wenn man monatlich nur 100 Euro über 30 Jahre spart.

Gretchenfrage

Die Gretchenfrage lautet also: Willst Du Dir wirklich eine dritte Partei ins Boot holen, die ihre eigenen Kosten, Risiken und Komplikationen mit sich bringt? Und Du dann aller Voraussicht nach weniger Geld hast, als wenn Du selbst in ETFs anlegst?

Für meinen Geschmack gibt es einfach zu viele Ungewissheiten bei Versicherung:

Reichen auch künftig überhaupt etwaige Steuervorteile, um die ganzen Kosten der Versicherung zu decken, also um überhaupt einen Vorteil rauszuholen gegenüber der eigenen Anlage? Das ist ja jetzt schon meist nicht der Fall, wie wir eben gesehen haben.

Geht die Versicherung auch wirklich nicht pleite oder bekommt Schwierigkeiten? Da würde ich mich nicht drauf verlassen und den „Zwischenhändler“ sozusagen lieber nicht im Boot haben wollen.

Der einzige Vorteil der Versicherung ist doch die garantierte, lebenslange Rente. Naja, außer, sie wird auf einer schlechten Basis bemessen, das hatten wir ja schon. Denn eine mickrige lebenslange Rente bringt Dir ja auch nix…

Das Gute ist aber: Eine vernünftige Absicherung Richtung Renteneintritt kannst Du selbst machen, ohne eine Versicherung. Du kannst Dich also eigenständig mit Deinen ETFs um das Langlebigkeitsrisiko kümmern.

Verfasst von Dr. Anna Terschüren
Veröffentlichung: 29. Juni, 2023
LETZTE AKTUALISIERUNG: 29. Juni, 2023
Diese Artikel könnten Dir auch gefallen
{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Schließ Dich über 15.000 neugierigen Menschen an

Erhalte wöchentlich unsere neuesten Momentaufnahmen – mit spannenden Punkten zu ausgewählten Themen, über die wir in den letzten Tagen gestolpert sind bzw. die uns bewegt haben – normalerweise über Geld, Produktivität, Psychologie und was auch immer sonst unser Interesse geweckt hat. Trag Dich jetzt ein und sei dabei.

>