Schnell das Wichtigste
- Es gibt mittlerweile viele Versicherungsprodukte, die als Anlageklasse auch ETFs “im Bauch” haben.
- ETF-Rentenversicherungen haben gegenüber der eigenen Direktanlage zwei Bonuspunkte: Steuervorteile und (teilweise) Garantien.
- Betrachtet man jedoch die Gesamtrendite – also das, was nach Wertsteigerung, Kosten, Steuervorteilen und Co. erzielbar ist – kommt die eigene Anlage in ETFs deutlich besser weg.
- Garantien führen zu einem extrem renditeschädlichen Verhalten der Versicherer.
- Selbst der “schlanke” ETF-Versicherungsmantel erzielt weniger Gesamtrendite als die eigene Anlage in ETFs. Und Du bist bei beiden Varianten den gleichen Marktrisiken ausgesetzt!
Keine Lust zu lesen? Schau Dir unser Video zum Thema an:
Dass die Rente nicht reichen wird, ist ja ein alter Hut. Und dass ETFs eine super Sache für die private Altersvorsorge sind, hat sich mittlerweile auch schon rumgesprochen.
Macht es dann nicht total Sinn, anstelle der Direktanlage in ETFs eine ETF-Versicherung zu wählen und etwaige Steuervorteile mitzunehmen?
Wir holen mal etwas aus.
Eins vorweg: Dieser Artikel spiegelt unsere persönliche Meinung als Privatanleger wieder – mit Anlageberatung haben wir nichts am Hut. Lies bitte den Disclaimer, hinterfrage alles kritisch und schau Dir möglichst viele verschiedene Quellen an!
Sollte die Riester-Rente nicht der große Retter sein?
Jap. Sie wurde 2002 mit all ihren Zulagen und Steuervorteilen eingeführt, um Menschen zur privaten Altersvorsorge zu animieren und letztendlich eigenständig ihre spätere Rentenlücke zu schließen.
Das Versprechen: Wer riestert, kann sich bei erfüllten Voraussetzungen über eine jährliche Grundzulage und eventuelle Kinderzulagen freuen sowie bis zu 2.100 Euro inklusive der erhaltenen Zulagen steuerlich geltend machen.

Das kam bei den Menschen gut an. Heute laufen in Deutschland mehr als 16 Millionen Riester-Verträge. Doch jetzt kommt die Kehrseite: Geschätzt wird, dass jeder fünfte Vertrag ruht und seit 2015 / 2016 gibt es kaum noch Neuabschlüsse. Warum?
Hohe Gebühren und das andauernde Zinstief
Klassische Riester-Verträge entpuppen sich nun schon seit mehreren Jahren eher als Klotz am Bein statt als hilfreiche Altersvorsorge:
- Sie kosten je nach Anbieter viel Geld.
- Das andauernde Zinstief führt dazu, dass konservative Anlagen wie z.B. Staatsanleihen oder Geldmarkt-Werte kaum noch Gewinne bringen.
Die Zins-Situation selbst ist aber nur teilweise das Problem. Vielmehr geht es um die vertraglichen Gewinn- und Rentengarantien, die in Riester-Verträgen enthalten sind. Damit die Versicherer diese einhalten können, sind sie gezwungen, in jene konservativen (also risikoarmen) Anlagen zu investieren.
Und jetzt kannst Du eins und eins zusammenrechnen: Wenn die Verträge kaum noch Zinsen bringen, aber weiterhin viel Geld kosten, was denkst Du, wovon die laufenden Gebühren bezahlt werden? Richtig – von Deinen eigenen Einzahlungen und von eventuell erhaltenen Zulagen. Riester ist also ein „astreines“ Minusgeschäft.
Bei der Altersvorsorge bzw. dem Vermögensaufbau kommt es vor allem auf zwei Dinge an: gute Renditen, niedrige Kosten. Du kannst jede Menge Geld reinschieben und Zulagen vom Staat einsacken – alles schön und gut. Aber wenn Du keine Rendite erwirtschaftest und nach dem Abzug von laufenden Kosten noch nicht einmal die „unsichtbare“ Inflation ausgleichen kannst, erreichst Du genau Null-Komma-Nix.
Übrigens: Falls Du Dich näher zum Thema informieren willst – mit verschiedenen Szenarien und allen Details – lies Dir hier unseren umfangreichen Riester-Artikel durch.
Das Ganze sieht bei der Rürup-Rente oder der betrieblichen Altersvorsorge auch nicht besser aus: Jene Verträge kosten ebenso Gebühren und sind im Zinstief gefangen; die betriebliche Altersvorsorge bringt außerdem noch ganz andere Probleme mit sich.
“Und wenn ich einen Riester-Vertrag mit ETFs nehme, also Versicherung und gute Investments verbinde?”
Mittlerweile bieten viele Versicherer auch ETFs als Anlageform innerhalb ihrer Produkte an, zumindest als Ergänzung zu den konservativen Anlagen. So suggerieren sie, dass das Zinstief-Problem gelöst sei und dass man sich von der privaten Altersvorsorge wieder mehr erhoffen könne.
Um das Ganze besser verstehen (und bewerten) zu können, müssen wir zwei Arten von “ETF-Versicherungen” unterscheiden: Einmal den ETF-Versicherungsmantel bzw. die Fondspolice (beide losgelöst von Riester und Co.) und einmal Garantieprodukte mit ETFs “im Bauch”, wie z.B. ETF-Riester.
So oder so heißt es immer: „Sie können sogar was von der Steuer absetzen und schauen Sie sich nur mal diese Renditeszenarien mit 3 %, 5 % und 7 % an.“ Klingt toll, was? Doch unterm Strich muss man leider ehrlich festhalten: Sowohl der Versicherungsmantel als auch die Garantieprodukte funktionieren so gut wie immer schlechter als die eigene Anlage in ETFs:
ETF-Versicherungsmantel
Hierbei wird einfach eine Versicherung um den ETF gelegt. Man investiert also in ETFs, aber legt nicht eigenständig an, sondern über den Versicherer. Das findet der Staat toll und fördert das Ganze steuerlich. Doch gern werden „Vorteile“ wie z.B. Steuerbegünstigungen durch eine niedrigere Rendite und/oder höhere Kosten aufgefressen.
Auch bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung bezahlst Du die Versicherung und – im günstigsten, aber seltenen Falle – nur eine Vermittlungsgebühr (bei Nettopolicen). Normalerweise erhält der Makler Abschluss- und laufende Provisionen. Du hast netto im Vergleich zur aktuell günstigsten angebotenen Versicherung (!) weniger Geld zur Verfügung als beim „selber machen“ und steuerliche Vorteile sind so eine Sache:
Die Gesetzgebung ändert sich am laufenden Bande; nichts ist unsicherer, als die künftige Besteuerung – egal welche Einkommensart man betrachtet. Insofern ist es immer schwierig bzw. kaum möglich, zum aktuellen Zeitpunkt steueroptimiert für die Rente anzulegen und gleicht eher einer Wette auf einen künftigen Steuervorteil.
Darum würden wir da nicht drauf setzen. Die letzte Investmentsteuerreform hat z.B. dazu geführt, das der Versicherungsmantel nun fast immer nachteilig ist. In diesem Video hier wird auch gut erklärt und vorgerechnet, warum ETFs die Nase vorn haben – trotz Steuervorteile bei der Versicherung.
Und das Wichtigste: Wieviel Rente Du bekommst, hängt total davon ab, wie der ETF performt hat! Es gibt keine Mindesthöhe! Denn anhand Deines angesparten Vermögens zu Rentenbeginn wird die Auszahlung festgelegt.
Zwar bekommst Du dann darauf basierend (!) eine garantierte Rente bzw. eine Einmalauszahlung – Du bist aber in der Ansparphase ebenfalls den kompletten Marktrisiken ausgesetzt. Falls Du Dich genau davor schützen wolltest, bringt Dir der Versicherungsmantel rein gar nichts!
Kommen wir daher zum zweiten Fall, den Garantieprodukten, die Dir von vornherein eine garantierte Rentenhöhe versprechen:
Garantieprodukte mit ETFs (z.B. Riester)
Selbst wenn Dein Versicherer in ETFs investiert, sind immer noch konservative Anlagen bei Riester, betrieblicher Altersvorsorge und Co. dabei. Denn wird von vornherein, also mit Vertragsabschluss, etwas garantiert, muss der Anbieter ziemlich zügig den Anteil konservativer Anlagen erhöhen, um die Garantie auch erfüllen zu können, logisch. Dazu sind die Versicherer auch verpflichtet.
Das Problem: Aktien-ETFs können so nur einen Teil ausmachen. Meist wird schon sehr früh, also weit vor Renteneintritt, in konservative Staatsanleihen, Geldmarkt-Produkte etc. umgeschichtet, die keine Rendite einfahren.
Und selbst, wenn die Rente noch weit weg ist: Garantien führen zu einem prozyklischen Handeln. Das bedeutet wenn die Kurse fallen, MÜSSEN die Versicherer Aktien-ETFs verkaufen und die bis dato nur auf dem Papier vorhandenen Verluste realisieren. Das konnte man z.B. bei dem Corona-Crash 2020 beobachten. Und als die Kurse wieder stiegen, kauften die Versicherer die Aktien viel zu teuer wieder nach.

Dadurch werden enorme Renditepotenziale verschenkt. Es ist nichts als Irrsinn, wenn man beachtet, dass jeder langfristig denkende, rationale Anleger antizyklisch handelt, also bei fallenden Kursen die Nerven behält und eher noch zuschlägt (also einkauft) als zu verkaufen!
Wie immer lautet das Fazit: Keine Rendite, ohne dass man Schwankungen aushält. Wer nur auf Sicherheit setzt, bekommt im Alter mit Sicherheit… wenig.
Der Versicherungs-Standardfall: Aktive Fonds statt ETFs
Kurz möchten wir auch erwähnen, dass die wenigsten Versicherungen mit ETFs arbeiten, sondern vielmehr mit (teureren) aktiven Fonds. Der Grund: Versicherer und Vermittler verdienen daran viel mehr. Die Bank und Versicherung auf dem Dorf werden Dir aus den wildesten Gründen „von diesen neumodischen ETFs“ abraten. Weil sie a) oft konservativ gepolt sind und weil sie b) an passiven ETFs nichts verdienen.
Aktiv gemanagte Fonds – die auf lange Sicht übrigens wissenschaftlich nachweisbar deutlich schlechter als ETFs performen – kosten ein Vielfaches mehr an laufenden Gebühren als die passiven Äquivalente. Aber das nur am Rande…
Unflexible Vertragsstrukturen
Wenn Du einmal einen Altersvorsorgevertrag abgeschlossen hast, bist Du drin. Dann gibt es kaum ein Zurück. „Aber ich könnte doch auch kündigen, wenn ich nicht zufrieden bin?“ Ja, schon, das geht natürlich. Aber der Rückkaufswert ist in sehr vielen Fällen so gering, dass Du nicht kündigst und es dabei belässt. Kündigungen werfen Dich zurück.
Und selbst wenn Du dranbleibst, ist die Auszahlung an bestimmte Termine gebunden. Du willst früher in Rente gehen? Schön für Dich. Die Rentenversicherung zahlt aber erst ab dem vereinbarten oder gesetzlich überhaupt erlaubten Termin und lässt kaum Spielraum.
Als Beispiel: Riester-Verträge sind grundsätzlich erst ab frühestens 60 Jahren auszahlbar, Rürup-Verträge frühestens ab 62 Jahren. Außerdem muss man sich bei letzterer eine Rente auszahlen lassen – Einmalentnahmen für die Weltreise oder das neue Auto sind nicht möglich.
Und noch eine Schwäche: Im Todesfall sind die Verträge ohne einen aktivierten Hinterbliebenenschutz (Extrakosten!) nicht vererbbar. Selbst mit Hinterbliebenenschutz bestehenden Einschränkungen.
Unser Fazit lautet also: Gib die private Altersvorsorge lieber nicht aus der eigenen Hand.
Lege Dir lieber einen simplen ETF-Sparplan an; dafür brauchst Du nur ein Depot bei einem Online-Broker und natürlich den richtigen ETF.